BUNT dir deine Meinung
Als wir im November gemeinsam unser Jahresthema gewählt haben, kam die Frage auf, ob es nicht zu eng gefasst ist. „BUNT Dir Deine Meinung! – das schien nur was für Leute zu sein, die tagtäglich mit Rechten in Berührung kommen. Spätestens die letzten Wochen haben gezeigt, dass das nicht stimmt: Bunt ist nicht nur das Gegenteil von braun.
Toleranz ist nicht nur ein Thema, wenn von irgendwoher rechtes Gedankengut hervorwabert. Es geht um mehr. Die Art und Weise, wie in Dänemark und sonst wo in Europa über die Mohammedkarikaturen gestritten worden ist, hat gezeigt, dass es viel tun und vor allem zu denken gibt. Über Standpunkte, die mit unserer Kultur und besonders mit unserer Religion zu tun haben, können viele noch längst nicht so debattieren, wie wir es als aufgeklärte Zeitgenossen eigentlich von uns glauben.
Aber so gut das Jahresthema passt und so pfiffig es daher kommt – es arbeitet mit einer Leerstelle, ohne die es keinen Sinn ergibt. Schön, dass der Name des Blattes mit den vier Buchstaben nicht genannt wird, aber dieses nur mitgedachte Wort ist das eigentlich Spannende an unserem Jahresthema! Deshalb dazu ein paar Gedanken.
Schon der Originalslogan der Zeitung arbeitet mit einem Wortspiel: Nicht das Bild eines toten Schwans oder der sparsam bekleideten Chantal ist gemeint, sondern das Verb „bilden“. Die Zeitung behauptet allen Ernstes, die Leser ihrer Zeitung bilden sich ihre Meinung selbst. Trotz riesiger Buchstaben und Leitartikeln, die über Fußballtrainer und Kanzler den Daumen heben oder senken, sollen es die Leser sein, die sich ihre Meinung bilden? Unglaublich, aber das Blatt hat recht! Nicht nur Jugendliche, alle Menschen sind viel mehr selbst die Akteure ihrer Bildung, das zeigen neuere Forschungen.
Klar, wenn die Leserinnen und Leser der Zeitung den Werbeslogan ernst nehmen würden, bräche die Auflage von einem Tag auf den anderen ein. Um sich eine Meinung zu bilden, kann man auf bessere Medien zurückgreifen. Aber auch wer die Zeitung, deren Name nicht genannt werden darf, liest, bekommt nicht einfach Meinung eingetrichtert, sondern bildet sie selbst.
Wer Farbe bekennen will, wie es im Jahresthema heißt, muss eine Meinung ausbilden – muss sich bilden. Letzte Woche hat sich die Kirchenkreiskonferenz von Jörg Matzen aus dem Bildungszentrum in Bederkesa etwas über Bildungsprozesse erzählen lassen. Ganz kurz gesagt: Damit Bildung funktioniert benötigen Kinder, Jugendliche und letztlich alle Menschen ein Doppeltes: Auf der einen Seite brauchen wir vertrauensvolle Beziehungen, auf der anderen Seite immer neue Herausforderungen und Reize, damit wir nicht einrosten. Ohne Vertrauen zu Menschen und zu Gott sind wir weniger fähig, uns immer wieder auf Neues einzustellen. Lernen, Meinung bilden können wir dann kaum. Kurz gesagt: Ohne „DU-Das Unikat!“ – unserem Jahresthema 2005 – kein „BUNT Dir Deine Meinung“.
Die Bibel behauptet, das schon immer gewusst zu haben. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ (1. Mose 1, 27) Der Mensch ist wertvoll, ist Gottes Ebenbild, wie die Theologen das sagen. Das trägt er aber nicht wie einen Heiligenschein mit sich herum, sondern das ist er nur im Gegenüber zu Gott. Der wollte den Menschen zu seinem Bilde haben. Und vor allem: Dieses Bild ist im Werden – wir sind nicht einfach Gottes Bilder, wir sind zum Bilde Gottes geschaffen. Ein Bildungsprozess allererster Güte. Wenn wir beides annehmen: dass wir einzigartige Ebenbilder Gottes sein sollen, aber eben auch erst sein sollen, dann wird es bunt. Und das ist gut so.
Martin Krarup