Angst?!
Wer kennt sie nicht: die ANGST! Sie gehört sinnvollerweise zu uns wie viele andere Gefühle auch. Sie ist wenig Vernunftgesteuert. Man mag eher das Gefühl haben, Angst geht vom Rückenmark aus. Und sie hat schon immer ihren Sinn gehabt. Man stelle sich Steinzeitjäger vor, die ohne Angst wilde Löwen streicheln wollten. Wir würden hier wohl heute nicht zusammen sitzen, hätte die Evolution nicht die Angst erfunden.
Aber Angst ist nicht gleich Angst. Sie kann übersteigert sein. Sie kann auf falsche Erfahrungen zurückzuführen sein. Oder sie kann größer sein, als für eine bestimmte Situation angemessen erscheint. Davon erzählt uns die Geschichte vom Ritter St. Georg…
… Georg war einer der vielen Missionare, die den „Heiden“ das Christentum predigten. Auf seinen Wanderungen kam er in das Land „Silena“. Dort lebte in einem See ein Drache, der weder Mensch noch Tier verschonte…
Die Sprache der Märchen und Legenden kann uns manchmal helfen, unser Seelenleben besser zu verstehen. Manchmal wird die eigene Angst groß wie ein Drache und scheint unbesiegbar zu sein. Überlege doch mal kurz, ob Dir eine Situation aus deinem Leben einfällt, wo die Angst so groß war, dass Du befürchtet hast, ihr nicht mehr Herr zu werden.
Aber nun weiter mit unserer Geschichte:
… Um ihn von der nahen Stadt fernzuhalten, wurde er täglich mit zwei Schafen gefüttert. Doch bald war der Schafbestand arg dezimiert…
Vielleicht kennst auch du dieses Verhalten. Man zwingt sich gegen die Angst etwas trotzdem zu tun, ringt sich durch oder verhandelt mit ihr. Vielleicht kommt man somit ein Stück gegen die Angst an. Aber besiegt ist sie noch lange nicht.
…Um die Herden zu schonen, kam man überein, dass künftig auch Menschen – vom Los bestimmt – dem Untier als Nahrung dienen sollten. Da fiel das Los einmal auf des Königs einzige Tochter. Sein Flehen nutzte nichts: Lediglich acht Tage Aufschub wurden gewährt. Nach dem schmerzlichen Abschied ging die Jungfrau allein an den See und wartete, bis der Wurm käme…
Auch das mag bekannt vorkommen. Ist die Angst nicht wirklich besiegt wird sie größer und mächtiger. Sie fordert immer mehr Aufmerksamkeit und bestimmt unseren Alltag.
…Da kam Sankt Jörg dort her geritten zu ihrem Glück, und als er die Jungfrau weinen sah, da sprang er von dem Pferd und ging zu ihr. Und da er ihre Schöne und reiche Zier an sah, da ward ihm leid um sie, und fraget, warum sie betrübt wäre. Da sprach sie: „Herre, sitzet bald auf Euer Pferd und fliehet, oder Ihr sterbet mit mir!“ Da sprach Sankt Jörg: „Edele Jungfrau, saget mir, was Euch sei!“ Da sprach sie: „Herre, ich muss hie sterben, denn man hat mich dem Drachen gegeben. Der wird bald aus dem Wasser kommen, und frisset er mich und Euch!“ …
Mit dem Ritter naht Hilfe die von ausserhalb kommt. Er hört zu. Er teilt die Angst nicht, aber er nimmt sie ernst. Hier nimmt die Geschichte ihre Wendung.
…Da sprach Sankt Jörg: „Habet ganzen Trost zu mir; ich will Euch helfen in dem Namen Gottes!“ Und als er das gesprochen hatte, da kam der Wurm aus dem Wasser. Da erschrak die Jungfrau.
Da Georgius den Drachen sah, sprang er auf sein Pferd und machet ein Kreuz vor sich und ritt bald gegen ihn. Und stach den Wurm mit dem Speer, da fiel der Wurm nieder. Da sprach er zu der Jungfrauen: „Gehabt Euch wohl, denn Euch geschiehet nichts. Und nehmet Euern Gürtel und leget ihn dem Drachen kühnlich an den Hals; so wird Gott viel grosses Wunder erzeigen.“ Da nahm sie den Gürtel und schlug ihn dem Wurm um den Hals und führet ihn mit sich in die Stadt. Da fürchtet sich das Volk, und schrien und flohen alle. Da sprach Sankt Jörg: „Bleibet hie, denn mich hat Jesus Christus zu euch her gesandt, dass ich euch erledige von dem Drachen. Darum glaubet an Gott, und empfanget die Tauf! Tut ihr das, so schlag ich den Drachen zu Tode.“ Da schrien sie all: „Wir wöllen es gern tun.“ Da schlug Sankt Jörg den Drachen tot mit der Hülf Gottes.
König und Volk waren dem Helden sehr zu Dank verpflichtet. Und Sankt Jörg predigete von Gott und taufte den König, dessen Tochter und viel Volk. Der Monarch versprach ihm grossen Reichtum, doch Georg spendete diesen den Armen. Da liess der König ein Münster erbauen, Unser Lieben Frauen zu Ehren. Und beim Altar entsprang ein klares Wasser. Die Quelle aber hatte grosse Heilkraft. Später zog Sankt Georg weiter, um Anderen das Heil zu predigen.
Der Ritter St. Georg öffnet Der Jungfrau und auch der gesamten Stadt Silena die Augen. Sie haben sich von ihrer Angst gefangen nehmen lassen. Sie haben Lebenskraft geopfert um die Angst in Schach zu halten.
Der Ritter kommt ohne Angst. Und aus dem Drachen wird ein Hündchen, dass man durch die Stadt führen kann. Die Angst wird klein. Die Angst wir regierbar und letztlich besiegt. In dieser Geschichten spielt der christliche Glaube natürlich eine große Rolle. Religion hilft gegen die Angst. Weiß ich Gott an meiner Seite, muss ich nicht ohne Angst sein. Aber ich kann ihr in die Augen blicken und mich ihr stellen. Ich kann prüfen, ob ein gefährlicher Tiger vor mir steht, vor dem ich schnellsten flüchten müsste, oder ob meine Angst vielleicht doch eher anderer Natur ist. Ich bekomme meine eigene Handlungsfähigkeit zurück.
Wichtig scheint mir, in Situationen der Angst Möglichkeiten zu haben, diese auch durch die Brille des Glaubens betrachten zu können. Mir ist ein Bibelspruch dabei zum Wegbegleiter geworden:
In Josua 1, Vers 9 steht: „Sei tapfer und entschlossen. Verlier nie den Mut. Denn ich dein Gott bin bei dir, wohin du auch gehst.“
Ich trage diesen Spruch in einer Perlenkette bei mir. Oft liegt er nur in meiner Tasche und wird wenig genutzt. Aber immer wenn ich in schwere See gerate, kommt er zum plötzlich wie der Drachentöter St. Georg zum Vorschein.